
Blogbeitrag | WebXR – das Web als Tor in eine neue Dimension
Von Andreas Kaiser am 30.09.2025
Die Grenzen zwischen digitaler und realer Welt verschwimmen zunehmend. Ob Virtual Reality, Augmented Reality oder Mixed Reality, immersive Technologien sind längst nicht mehr nur futuristische Visionen, sondern prägen schon heute Gaming, Bildung, Design, Medizin und viele andere Bereiche. Gleichzeitig verlangen Nutzer:innen nach Erlebnissen, die leicht zugänglich sind ohne komplizierte Installationen oder teure Spezialsoftware. Das Web ist durch die Eigenschaften, wie universell, offen und jederzeit erreichbar, bestens geeignet.
Zumal mit WebXR eine Technologie geschaffen wurde, um das möglich zu machen.
WebXR ist eine Webtechnologie, mit der Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und andere Formen von „Extended Reality“ direkt im Browser erlebbar werden und das ganz ohne zusätzliche App. Der Standard definiert eine Schnittstelle, über die Webseiten erkennen können, ob XR-Funktionen verfügbar sind, welche Gerätefähigkeiten bereitstehen, wie Eingaben von Controllern oder Händen abgefragt werden und wie Inhalte mit der passenden Bildwiederholrate auf dem Headset dargestellt werden. Dabei geht es nicht darum, einen speziellen VR- oder AR-Browser zu bauen, jedes einzelne Hardware-Feature offenzulegen oder gar „das Metaverse“ zu definieren. Es geht vielmehr um eine solide Grundlage für XR im offenen Web, die den Menschen einen Freiraum gibt, XR-Inhalte einfach ausprobieren zu können. Unterstützt werden eine Vielzahl von Geräten: von ARCore-kompatiblen Smartphones über Microsoft Hololens und einer breiten Palette an VR-Endgeräten. Das „X“ in WebXR soll die Vielfalt an Realitäten widerspiegeln: ob Virtual, Augmented, Mixed oder neue Kombinationen – die Technologie ist offen für jede Form von immersiver Erfahrung. Seit 2020 wird WebXR von der W3C Immersive Web Working Group kontinuierlich weiterentwickelt und bildet heute den zentralen Standard für XR-Erlebnisse im Web.
Technischer Aufbau

Im Hintergrund greift WebXR auf JavaScript-APIs zurück. Technisch gesehen setzt sich WebXR also aus diesen Bausteinen zusammen, die eng ineinandergreifen:
- Rendering
Die Darstellung der 3D-Grafik erfolgt über WebGL oder aufbauende Frameworks wie Three.js, Babylon.js oder A-Frame. Das Rendering läuft in einer speziellen Schleife, die ähnlich wierequestAnimationFrame
funktioniert, jedoch direkt an die Anforderungen der XR-Hardware angepasst ist. Eine Szene wird dabei in 3D präsentiert, indem die Perspektive für jedes Auge berechnet wird. Beide Bilder – links für das linke Auge, rechts für das rechte Auge – werden in einem Framebuffer kombiniert und anschließend an das XR-Gerät übergeben, sodass der Nutzer eine realistische stereoskopische Ansicht erhält. - Gerätedaten
Die API stellt Informationen über die aktuelle Position und Orientierung von Headsets bereit, erfasst Kameradaten für AR-Anwendungen und liefert Sensordaten wie Bewegungen, Beschleunigung, Rotation oder Barometerwerte. Typische XR-Geräte unterstützen 3 oder 6 Freiheitsgrade (DoF) und können interne oder externe Positionssensoren besitzen. Diese Daten werden abstrahiert, sodass die Anwendung nicht wissen muss, ob sie von einem High-End-VR-Headset, einem Smartphone oder einer AR-Brille stammen. - Eingabemethoden
Neben klassischen VR-Controllern können auch moderne Eingabeverfahren wie Handtracking, Blicksteuerung oder Gestenerkennung integriert werden. Bewegungen der Eingabegeräte werden in Vektoren umgewandelt, die die Anwendung für Navigation und Interaktion innerhalb der XR-Szene nutzt. - Rendering-Schleifen
Jede XR-Session läuft in einem eigenen Zyklus, bei dem pro Bild sowohl die Grafiken berechnet als auch die neuesten Tracking-Daten der Hardware abgefragt werden. Dadurch wird ein konsistentes XR-Erlebnis gewährleistet, bei dem Interaktion und Darstellung stets synchronisiert sind. - Sicherheits- und Zugriffskontrolle
Da XR-Anwendungen Zugriff auf sensible Daten wie Kamerastreams oder präzise Bewegungsprofile erhalten, übernimmt der Browser die Sicherheitsabfragen. Er fordert die Zustimmung des Nutzers ein und gibt nur die notwendigen Daten weiter, die für die jeweilige Session benötigt werden. - Multi-View-Unterstützung und Spiegelung
WebXR kann mehrere Ansichten gleichzeitig rendern. Typisches Beispiel ist das Stereo-Rendering für VR, bei dem getrennte Bilder für das linke und rechte Auge erzeugt werden. In AR-Szenarien können zusätzlich 3D-Inhalte mit Kamerabildern kombiniert werden. Optional kann die Szene auch auf einem 2D-Display gespiegelt werden, um das Erlebnis für Zuschauer sichtbar zu machen oder für Debugging-Zwecke.
Um ein Erlebnis zu starten, legt eine Website eine Session an (etwa „immersive-vr“ für Virtual-Reality-Inhalte oder „immersive-ar“ für Augmented-Reality-Erfahrungen). Der Browser kümmert sich dabei um die Kommunikation mit dem Betriebssystem und der Hardware. Er fragt nach den nötigen Berechtigungen und stellt der Anwendung die Daten in einem standardisierten Format zur Verfügung. Diese werden dann in Folge für das Redern gebraucht. Der Vermittlungsprozess kann von WebXR geräteunabhängig durchgeführt werden. Sensoren wie Beschleunigungsmesser, Gyroskope oder Barometer werden automatisch berücksichtigt, sodass Bewegungen des Nutzers präzise in die XR-Szene übertragen werden.
WebXR Einsatzgebiete
Zu den wesentlichen Bereichen, in denen WebXR Anwendungen mittlerweile stark vertreten sind, kurz ein Überblick:
- Industrie und Wartung: Techniker sehen AR-Überlagerungen mit Infos zu Maschinen, oder bekommen Schritt-für-Schritt-Anleitungen eingeblendet.
- E-Commerce: Online-Shops können Produkte in 3D oder AR darstellen. Nutzer können Möbel virtuell ins Wohnzimmer stellen oder Kleidung anprobieren.
- Kultur und Kunst: Museen schaffen virtuelle Rundgänge, oder bieten AR-geführte Touren, die einfach im Browser starten.
- Bildung und Training: Virtuelle Labore oder Simulationen sind direkt im Browser nutzbar, ohne teure Software-Installationen. Pilotprojekte zeigen, dass das den Zugang zu Lerninhalten erleichtert.
Hier nun ein paar Real-Beispiele zum Draufklicken:
WebXR in der Praxis (Code-Snippet)
Das folgende Code-Snippet zeigt, wie man mit WebXR und Three.js eine einfache AR-Anwendung erstellt kann, die es Nutzern ermöglicht, ein 3D-Modell direkt in ihrer realen Umgebung zu platzieren:
const renderer = new THREE.WebGLRenderer({ antialias: true });
renderer.xr.enabled = true;
document.body.appendChild(renderer.domElement);
const scene = new THREE.Scene();
const camera = new THREE.PerspectiveCamera(70, window.innerWidth / window.innerHeight, 0.2, 20);
scene.add(camera);
const light = new THREE.AmbientLight(0xffffff, 1);
scene.add(light);
const cube = new THREE.Mesh(
new THREE.BoxBufferGeometry(0.2, 0.2, 0.2),
new THREE.MeshBasicMaterial({ color: 0x00ff00 })
);
scene.add(cube);
const controller = renderer.xr.getController(0);
scene.add(controller);
const hitTestSource = new XRHitTestSource();
controller.addEventListener('select', () => {
const hitPose = hitTestSource.getPose();
if (hitPose) {
cube.position.set(hitPose.position.x, hitPose.position.y, hitPose.position.z);
}
});
function animate() {
renderer.setAnimationLoop(animate);
renderer.render(scene, camera);
}
animate();
Dieses Code-Snippet erstellt eine 3D-Szene mit Kamera, Licht und einem grünen Würfel als Objekt. Der WebGL-Renderer wird aktiviert und unterstützt WebXR, sodass AR-Funktionen direkt im Browser genutzt werden können. Ein XR-Controller erfasst die Eingaben des Nutzers, während ein Hit-Test die reale Position für das Objekt bestimmt. Tippt der Nutzer, wird der Würfel an dieser Position platziert. Die Szene wird kontinuierlich gerendert, sodass das Objekt in Echtzeit in der Umgebung angezeigt wird.
Chancen und Herausforderungen von WebXR
Ein zentraler Vorteil von WebXR liegt in der niederschwelligen Zugänglichkeit: Nutzer müssen keine zusätzliche App installieren, sondern können direkt über einen Link immersive Inhalte aufrufen. Das senkt die Eintrittsbarrieren erheblich und steigert die Reichweite. Darüber hinaus ermöglicht WebXR plattformübergreifende Entwicklung, sodass eine einzige Codebasis sowohl auf Desktop, Mobilgeräten als auch XR-Headsets funktioniert. Entwickler profitieren zudem von der engen Verzahnung mit etablierten Webtechnologien wie WebGL oder WebAudio, was die Integration bestehender Infrastruktur erleichtert und Entwicklungsaufwände reduziert. Fortschritte wie WebAssembly und WebGPU lassen erwarten, dass die Lücke in puncto Leistung zu nativen Anwendungen kleiner wird.
Auf der anderen Seite zeigen sich nach wie vor deutliche Einschränkungen. Die Unterstützung in Browsern und auf Geräten ist fragmentiert: Während einige Plattformen bereits solide WebXR-Funktionalitäten bieten, hinkt etwa Safari auf iOS noch hinterher. Auch die Performance bleibt bei komplexen 3D-Szenen hinter nativen Anwendungen zurück, was sich etwa in niedrigeren Framerates oder reduzierter visueller Qualität äußern kann. Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Sicherheit: Da WebXR im Browser läuft, sind klassische Webbedrohungen wie Phishing, bösartige Skripte oder Datenlecks nicht auszuschließen. Gerade weil WebXR-Schnittstellen Zugriff auf sensible Sensoren und Bewegungsdaten erlauben, sind strenge Berechtigungs- und Sicherheitskonzepte unverzichtbar. Schließlich erfordert die breite Kompatibilität oft Kompromisse bei Funktionsumfang und Detailtiefe, um auf möglichst vielen Endgeräten zuverlässig zu laufen.
Ausblick in die Zukunft
WebXR entwickelt sich rasant von einer experimentellen Technologie hin zu einem festen Bestandteil digitaler Erlebnisse. Diese Entwicklung zeigt sich besonders in vier zentralen Bereichen:
- Integration neuer Technologien: Künstliche Intelligenz und Mixed Reality machen WebXR-Erfahrungen individueller und immersiver, indem sie Inhalte dynamisch anpassen und reale mit virtuellen Elementen
- Mehr Leistung & Zugänglichkeit: Moderne Browser, leistungsstarke Geräte und schnelle Netzwerke ermöglichen bereits heute beeindruckende XR-Erlebnisse direkt im Web – ohne zusätzliche Apps oder komplizierte Installationen.
- Standardisierung & Interoperabilität: Mit Schnittstellen wie dem WebXR Device API entstehen plattformübergreifende Anwendungen, die auf unterschiedlichsten Geräten konsistent funktionieren und so ein breites Publikum erreichen.
- Neue Einsatzfelder: Neben Gaming rücken vor allem Bildung, E-Commerce und virtuelle Zusammenarbeit in den Fokus. Lernende profitieren von interaktiven Kursen, Unternehmen nutzen immersive Showrooms, und Kund:innen können Produkte realitätsnah erleben.
Fazit
WebXR verbindet das Web mit der Welt der XR-Erlebnisse und das recht unkompliziert direkt im Browser. Es macht VR und AR leichter zugänglich und bringt Vorteile in der Nutzung für Bildung, Industrie, E-Commerce und Kultur. Gleichzeitig gibt es noch Hürden bei Leistung, Sicherheit und Standardisierung. Nichtsdestotrotz haben sich schon einige Unternehmen an die Entwicklung reiner WebXR Anwendungen herangewagt. Doch mit der Weiterentwicklung von Hardware, offenen Standards und einer aktiven Community wird WebXR in den kommenden Jahren ein wichtiger Zugangskanal für immersive Inhalte werden.
Um nun selbst einen Eindruck gewinnen zu können, kann man unter WebXR – Samples checken, ob der eigene Browser WebXR unterstützt und im Falle einer Unterstützung direkt sich mit den Aspekten der WebXR API auseinandersetzen.
Links:
Beitragsbild – https://immersive-web.github.io/webxr-samples/media/logo/webxr-logo.svg
Bilder der Real-Beispiele – Quelllink direkt in den Bildern eingebettet
https://immersiveweb.dev/
https://immersive-web.github.io/webxr-samples/
https://developer.mozilla.org/de/docs/Web/API/WebXR_Device_API
https://www.rooom.com/de/blog/webxr-the-future-of-immersive-web-experiences
https://www.onirix.com/webxr-examples-development-extended-reality/
https://edbyto.com/edbyto/webxr-fuer-berufliche-aus-und-weiterbildung
https://www.edtechaustria.at/virtuelle-welten/
https://edbyto.com/edbyto/albion-press-virtuelles-museumserlebnis-in-webxr
https://webhosting.de/webxr-virtuelle-realitaet-browser/ https://developer.mozilla.org/de/docs/Games/Techniques/3D_on_the_web/WebXR