
Blog | Software Architekturen: Überblick und Entscheidungshilfe
Von Matthias Frankowski am 16.10.2025
Bevor die erste Codezeile geschrieben wird, stellt sich die Frage: Wie sollte das Projekt aufgebaut sein, damit es später nicht unübersichtlich wird? Die gewählte Architektur legt fest, wie klar der Code bleibt, wie einfach sich neue Funktionen hinzufügen lassen und wie leicht Wartung und Erweiterung gelingen – unabhängig davon, ob an einer kleinen App allein gearbeitet oder im Team ein größeres System entwickelt wird.
In diesem Artikel werden fünf gängige Architektur-Muster vorgestellt, die wichtigsten Auswahlkriterien erklärt und eine praktische Checkliste für die Entscheidung geliefert. So entsteht bereits vor dem ersten Commit eine solide Basis für eine reibungslose Entwicklung.
Klassische Schichten-Architektur
Die bekannteste Herangehensweise ist die klassische Schichten-Architektur. Dabei wird eine Anwendung in drei Teile gegliedert:
| Präsentation (UI) Hier läuft alles ab, was Nutzer sehen und anklicken. |
| Geschäftslogik (Domäne) In dieser Mitte-Schicht stecken alle Regeln und Abläufe, die das System beherrscht – etwa Bestellungen verarbeiten oder Berechnungen durchführen. |
| Datenzugriff Diese unterste Schicht kümmert sich um Datenbanken, Dateispeicher oder externe Dienste. |
In der Praxis:
| Warum so beliebt | der Haken |
– Übersichtlichkeit: Jede Schicht hat einen klaren Job, sodass man nicht in einem großen Code-Haufen nach Funktionen suchen muss. – Teamarbeit: Frontend-, Logik- und Datenbank-Entwickler können parallel an ihren Schichten arbeiten. – Skalierung: Bei hohem Datenaufkommen lässt sich etwa nur die Geschäftslogik-Schicht auf mehr Servern verteilen. | – Mehraufwand: Die Schichten sprechen untereinander – das kostet ein paar Millisekunden extra und etwas Komplexität. – Overkill für Kleinprojekte: Wenn die Anwendung nur ein paar Seiten hat, ist der strikte Schichtenbau oft unnötig. – Festgefahrene Abhängigkeiten: Wer später eine Schicht ändert, kann schnell viele andere Ebenen mitnehmen. |
Einsatzszenario:
Die klassische Drei-Schichten-Architektur eignet sich besonders für kleine bis mittelgroße Anwendungen und Solo- oder Kleinteamprojekte, weil sie schnell aufgesetzt ist und eine klare Trennung von UI, Logik und Datenzugriff bietet. Hält sich die Domäne jedoch in Grenzen, lässt sich damit langfristig gut arbeiten. Wachsen jedoch Funktionsumfang, Geschäftsprozesse oder Teamgröße, sollte man rechtzeitig über Modularisierung, DDD oder Microservices nachdenken, um die Wartbarkeit nicht zu gefährden.
Frontend-Pattern: MVC und MVVM
Für Benutzeroberflächen haben sich zwei Muster durchgesetzt:
Model-View-Controller (MVC):
- Model: Alle Daten und Geschäftslogik.
- View: Das, was man sieht und anklickt.
- Controller: Die Brücke dazwischen – nimmt Eingaben der View entgegen und aktualisiert Model oder View.MVC trennt klar, wer was tut, und macht es leicht, einzelne Teile auszutauschen.
Model-View-ViewModel (MVVM):
- Ähnlich wie MVC, ergänzt aber das ViewModel, das View und Model synchron hält.
- Änderungen am Model „binden“ sich automatisch in die View ein und umgekehrt.MVVM ist besonders beliebt in modernen UI-Frameworks (z. B. SwiftUI, Jetpack Compose), weil es mit Datenbindung und Deklarativität perfekt harmoniert.
Einsatzszenario:
- MVC eignet sich für einfache Web-Apps oder klassische Desktop-Anwendungen.
- MVVM glänzt, wenn Frameworks Datenbindung anbieten und man den UI-Code sauber von Logik fernhalten will.
Monolith vs. Microservices
Wenn die Anwendung wächst, stellt sich die Frage, ob man alle Funktionen in einem großen Block (Monolith) lässt oder in kleine, eigenständige Dienste (Microservices) aufteilt.
| Monolith | Microservices |
| Alles steckt in einer Code-Basis, ein Deploy, eine Datenbank. Vorteil: Einfacher Einstieg, weniger Infrastruktur-Overhead. Nachteil: Je größer, desto unübersichtlicher und schwerfälliger bei Updates. | Jede Funktion läuft als eigenständiger Dienst mit eigener Datenhaltung. Vorteil: Einzelne Dienste lassen sich unabhängig entwickeln, skalieren und deployen. Nachteil: Erfordert mehr Betriebskomplexität (Service-Registrierung, API-Gateways, Monitoring). |
Einsatzszenario:
Für kleine Teams und einfache Projekte bleibt der Monolith oft die pragmatischere Wahl. Bei hoher Komplexität, vielen Teams oder strengen Skalierungsanforderungen lohnt sich der Umstieg auf Microservices.
Domain-Driven Design (DDD)
Domain-Driven Design stellt die Fachlogik in den Mittelpunkt:
Ubiquitous Language:
Fachbegriffe aus der Domäne werden exakt so im Code abgebildet (Klassen, Methoden).
Bounded Contexts:
Getrennte Teilbereiche der Domäne mit jeweils eigenem Modell und klar definierten Schnittstellen.
Entities & Value Objects:
Unterschied zwischen Objekten mit eigener Identität (z. B. „Kunde“) und unveränderlichen Werten (z. B. „Geldbetrag“).
Einsatzszenario:
Wenn die Domäne komplex ist und viele Experten involviert sind, sorgt DDD dafür, dass alle dasselbe Vokabular nutzen – im Code und in Meetings. Das reduziert Missverständnisse und verbessert die Wartbarkeit.
Event-Driven Architektur & CQRS
Für hochreaktive Systeme, in denen Aktionen asynchron ablaufen, sind Event-Pattern ideal:
Event-Driven Architecture (EDA):
- Komponenten kommunizieren über Ereignisse („Events“), z. B. „BestellungAufgegeben“.
- Sehr entkoppelt und skalierbar.
Command Query Responsibility Segregation (CQRS):
- Commands: Ändern den System-Zustand (z. B. „ErstelleRechnung“).
- Queries: Liefern Daten aus dem aktuellen Zustand (z. B. „HoleRechnungsübersicht“).
CQRS erlaubt, Lese- und Schreibmodelle getrennt zu optimieren und mit Event Sourcing zu kombinieren.
Einsatzszenario:
IoT-Netzwerke, Echtzeitanalysen oder Finanztransaktionen, bei denen Latenzen niedrig und Nachvollziehbarkeit hoch sein müssen.
Fazit
In meinem Semesterprojekt habe ich eine Webapp nach dem klassischen Drei-Schichten-Prinzip aufgebaut – Benutzeroberfläche, Geschäftslogik und Datenzugriff. Als alleiniger Entwickler konnte ich so in kurzer Zeit neue Features hinzufügen, ohne dass das System unübersichtlich wurde.
In meiner aktuellen Arbeit an einer umfangreichen Ressourcenmanagement-Plattform mit über zehn Entwicklerinnen und Entwicklern reicht dieses einfache Grundgerüst allerdings nicht mehr aus. Deshalb sind wir auf Domain-Driven Design umgestiegen und nutzen im Code jetzt echte Fachbegriffe wie „Ressource“, „Task“ oder „Project“. Diese Umstellung hat nicht nur die Einarbeitung neuer Teammitglieder erleichtert, sondern auch die Abstimmung mit den Fachabteilungen deutlich beschleunigt.
Im Laufe verschiedener Projekte ist mir immer wieder aufgefallen, wie schnell selbst kleine Änderungen an der Architektur später großen Aufwand nach sich ziehen können. Wer sich bereits zu Beginn Gedanken über mögliche Wachstums- und Teamszenarien macht, schafft eine solide Grundlage für spätere Erweiterungen. Mir wurde dabei deutlich, dass sich ein wenig zusätzliche Planung im Vorfeld vielfach auszahlt – sei es durch eine bewusste Strukturierung in Schichten, eine klare Trennung fachlicher Kontexte oder den Einsatz von Entkopplungsmechanismen. Dieses Vorgehen sorgt nicht nur für verständlicheren Code, sondern erleichtert auch das Hinzukommen neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Letztlich zahlt sich jeder Moment, den man in die Architekturentscheidung investiert, in Form von Zeitersparnis und weniger technischen Stolpersteinen aus.